Erzählt von 

   Elisabeth Simon

Das hässliche        Entlein

 

                                                   Bilder von 

                                          Marion Goedelt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der alte Bauernhof mit seinen

vielen Tieren stand da im

schönsten Sonnenlicht. Ein Kanal führte direkt am Haus vorbei und auf dem Kanal schwammen Enten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Am schattigen Rand des Wassers hatte sich eine Enten-mutter ihr Nest gebaut. Da saß

sie nun schon seit Wochen und brütete ihre Eier aus. 

 

Eines Tages aber krachte ein Ei
auseinander und man hörte ein
leises „Piep, Piep“. Die Ente
sagte „Rab, Rab“, stand auf und
sah, dass ein wolliges, gelbes
Küken aus einem der Eier ge-
schlüpft war. Gleich fing sie an
die Federn des Kleinen zu

putzen. Da krachte es wieder
und kurz darauf noch einmal.
Am Abend dieses Tages waren
die Küken geschlüpft und eins
war hübscher als das andere.

Nur ein Ei wollte nicht krachen

und die Ente musste noch zwei

lange Tage sitzen und brüten.

Sie war schon sehr ungeduldig,

bis dann auch endlich dieses

Küken ausschlüpfte. Aber wie

sah das denn aus? Groß, grau

und hässlich!

Die Entenmutter war entsetzt.

Konnte sie sich mit diesem Kind

überhaupt sehen lassen?

 

Doch schließlich nahm sie alle

Kinder in einer schönen Reihe

hintereinander mit auf den Kanal.

Sie sollten die Welt kennen

lernen. Die anderen Enten

kamen herbei und freuten sich,

dass die Ente endlich ihre

Jungen hatte. „Aber was ist das

denn für ein hässliches Küken?“,

fragten auch sie. „Das sieht nicht

aus wie ein Entenkind.“ Die

Entenjungen der anderen Familien

schwammen um das hässliche

Entlein herum und zwickten und

ärgerten es. „Schaut nur, wie

hässlich es ist!“ „Du kannst aber nicht mit uns spielen, du Tollpatsch!“

 

Seine Geschwister schämten

sich für das hässliche Entlein

und sagten: „Wenn dich nur die

Katze fressen würde!“ Und da

sagte auch die Mutter zu dem

grauen Entlein: „Es wäre besser,

wenn du weit weg wärest!“

Ganz verzweifelt flatterte das

hässliche Entchen vom Boden

hoch und flog über den Zaun.

Alle hassten es, alle waren böse

mit ihm. Es drückte die Augen

fest zu und lief und lief immer

weiter, stundenlang. Nun war es

ganz allein auf der Welt.

 

Das hässliche Entlein kam zu

einem Sumpf. Dort konnte es

sich verstecken und weil es

schon dunkel war, hatte es

niemand gesehen. Am Morgen

aber waren da Wildenten. „Du

bist aber unglaublich hässlich“,

sagten sie sofort. „Glaube nur

nicht, du könntest hier bei uns

hübschen Leuten wohnen!“

Als es wieder dunkel wurde,

rannte das hässliche Entlein

los, um einen neune Platz zu

suchen, wo es bleiben konnte.

Stundenlang rannte es. Dann

entdeckte es ein uraltes Häus-

chen. Die Türe war heraus

gebrochen und so schlüpfte

                    das Entenküken in

                    das Häuschen                             hinein.

 

                    Am Morgen sah

                    dann das Entlein,

                dass hier eine alte

             Frau wohnte mit einem          Kater und einem Huhn.

Die Frau betrachtete das Küken
und dachte: „In einiger Zeit ist
es groß, dann kann ich mir
einen Entenbraten machen.“

So durfte das Entlein bleiben.

 

Die beiden anderen Tiere
machten dem hässlichen
Entlein gleich das Leben schwer.
„Kannst du Eier legen?, fragte
das Huhn. „Wenn du das nicht
kannst, dann hast du hier nichts
zu sagen!“ „Kannst du einen
Buckel machen und schnurren?“,
fragte der Kater. „Wenn du das
nicht kannst, dann darfst du

auch nicht mitreden.“ „Setz dich da hinten in die Ecke und lass bloß nichts von dir hören!“

 

Das arme Entenküken saß nun tagein tagaus ganz ängstlich in der dunkelsten Ecke des Häuschens. Es wurde immer trauriger. Draußen war herrlicher SonnenscheinDraußen gab es Wasser und es spürte eine ganz große Lust, auf dem Wasser zu schwimmen. „Oh, könnte ich doch schwimmen!“, seufzte es. 

Schließlich war die Sehnsucht
so groß, dass das Entlein zur
Tür hinaus schlüpfte und in die
Welt lief.

Bald war es am Wasser und voll
Freude stürzte es sich hinein.
Oh, wie war das herrlich! Oh wie freute sich das Entlein, endlich schwimmen zu dürfen. Auf dem Wasser trieben ihm viele bunte Blätter entgegen. So lange war es in der dunklen Stube gesessen, dass es gar nicht bemerkt hatte, dass es Herbst geworden war.

Da sah es am Abend drei
wunderbare, große, schneeweiße
Vögel langsam vom Himmel
herab gleiten und auf dem
Wasser landen.

 

Noch nie hatte das Entenküken
so herrliche Vögel gesehen. Sie hatten lange, biegsame Hälse und glänzten wie Könige im Abendlicht. Als sie ihre Flügel ausbreiteten, rauschte es in der Luft. Das Entlein sah ihnen nach, bis sie verschwunden waren. Wo sie wohl hinflogen?

Der Winter war schrecklich für

das Entenküken. Es fand fast

nichts mehr zu fressen und eines Morgens war es sogar im Wasser festgefroren. Wäre nicht ein Bauer gekommen, der das

Eis aufgehackt hätte, wäre es

schlimm ausgegangen.

 

Doch dann kam der Frühling.

Die Lerchen sangen ein

jubelndes Lied. Es duftete

nach Flieder und Anemonen. Das Entlein war größer geworden und auch seine Flügel waren kräftiger.

So flog es hoch, flog den Kanal

entlang und landete in einem

Garten mit einem blühenden

Apfelbaum. Dort stand es am

Rand des Kanals.

 

Da schwammen plötzlich drei

herrliche, weiße Schwäne vorbei.

Das Entenjunge erkannte die

prächtigen Tiere und wollte

unbedingt zu ihnen hin. „Sie

werden mich hacken und

töten, weil ich doch so

hässlich bin“, dachte es.

Trotzdem tauchte es

in das Wasser und

schwamm den

Schwänen

entgegen.

 

Und als es seinen Kopf hinab

zum Wasser beugte, sah das

Entenküken plötzlich sein

eigenes Spiegelbild im Wasser.

Was war das? Es war nicht mehr

grau und hässlich, es war selbst

ein strahlend weißer Vogel, mit

einem wunderschönen, weißen

Hals. Es war selbst ein Schwan!

 

Die drei großen

Schwäne waren

inzwischen heran

geschwommen. Sie

streichelten mit ihren

Schnäbeln über die

 

 

Federn des jungen Schwans

und nahmen ihn in ihre Mitte.

Die Kinder kamen gelaufen

und riefen: „Da ist ein neuer

Schwan und er ist der

Schönste von allen!“

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